Kleine Boote – ganz groß

Was für ein Hammer-Start in die Saison! Nicht nur, das Langballigau wieder bestes und herausfordernde Segelwetter bot  – egal ob dass Boot klein oder groß, ob es alt ist oder das neueste design, die Crew jung oder erfahren: Langballigau beweist einmal mehr, dass esbei Top-Platzierungen nicht auf Geld und Material ankommt, sondern auf Spirit, Ehrgeiz und Können.

Noch leicht dunstig am Morgen, Himmel dicht und die Luft ist zum Wasser auspressen – Mist, habe ich das Richtige an?!

Skipperbesprechung auch nicht warm im Sitzungssaal, sondern draußen vor dem Clubhaus in Langballigau. Der NWN chilled Dir den Nacken…

Dafür ist das Programm einfach und gut: Die Bahn steht schon an Land fest und wird im Einzelnen erläutert. Für jeden ist was dabei. Die Genni-Freunde finden ihren reacher ganz früh und drehen auf. Die symetrischen Spi-Jünger rollen deswegen schon genervt die Augen. Aber es wird alles gut. Entspann Dich…

Eine gut liegende Startlinie. Visuelle Startzeichen? Fehlanzeige. Willkommen in Langballigau! Dafür sorgt das Presshorn für klare Startsignale  und los geht es.

Bei lauem Wind schieben sich viele im Pulk über die Linie. Einzelne kommen besser und frei los. Trotzdem spaltet sich die Flotte fix auf und jeder findet seinen track. Richtung Westen nach Cafe-Drei geht es auf die rote Tonne 4 los. Schicke Dreher – gut wenn man sie sieht. Aber bei dem Lummerwind überlegst Du Dir jede Wende ganz genau. Runter geht es fast platt nach Brunsnaes –S und im geschrickten kurzen Bein  wieder hoch nach Brunsnaes N.

Dort donnert eine neue JPK 38FC unter Gennaker durchs Feld. Sehr individuelle Folierung – aber was für eine geile Karre! Ich muss meine Zunge mühsam wieder einsammeln und mich konzentrieren. Das geht aber doch schnell wieder.

Der weitere Kurs  sah zwar eigentlich nach der frustralen Episode des Tages für symetrische Spinnakersegler aus. Aber schon verbreitet sich ein leise-süßes Rachegefühl: Auch die Gennaker schaffen diesen hohen Kurs nicht. An der Tonne Nejsmölle Flak – gegenüber Holnis-Spitze – kommt die große Wende. Da gehen die Potenzblasen der großen Gennakerboote hoch. Wir sind einfach arrogant, reißen auch den Spi hoch und fummeln uns hinter den immer kleiner werdenden Gennakerbooten durch den permanenten böigen Wind und…bringen das Ding nach Hause, setzen uns von der X-99 und den anderen Booten ab.

Vor Bockholmwik geht es raus gen Osten. Die Sonne brät, der Wind ist wieder eher lummerig. Genugtuung macht sich breit: Wir rutschen an die Gennakerboote wieder ran, fahren tiefer und nicht langsamer. Die absolute Nervtöterei aber ist die X-99, die sich von hinten unaufhörlich ranschiebt und gegen die wir keine Waffen im Gepäck haben. Breite Schultern am Spi, glitschiger Rutsche-Popo – da kommt man schwer gegenan. Taktische Spielereien vor Kragesand übernehmen die Führung vor Wind- und Stromtaktik. Die Jungs von der X-99 sind smart, halsen gut und wir versacken dabei, sie wegzudrücken. Mit Innenposition für die X-99 geht es um Kragesand herum Richtung Tonne 2 Neukirchen. Halbwind.

Diese Mistgurke von X-99 reißt nicht genügend Welle, als das wir uns auf irgendwas setzen können. Dafür lassen Sie uns  freundlich eine Scheunentorbreite, was hoffnungsvoll macht. Aber auch nicht reicht. Bei so lummerigem Wind ist eine große überlappende Genoa 1 doch ein Powerpack gegen eine schweren Kiste mit knapp überlappendem Segel. Wir müssen schnell doch wegwenden und können die Konvergenzzone so nicht für uns nutzen. Dann briest es auf. Der Großteil des Feldes schiebt sich derweil in spannender Konzentration um Kragesand und Neukirchen. Langeweile haben die da auch nicht an Bord…

Wir versuchen, die Kiste auf speed zu bekommen. Schwere Kost: Wir mussten unseren Mast neu eintrimmen und sind damit noch lange nicht durch. Der Wind dreht auf, wir müssen an der Strippe hinten ziehen und ziehen uns eine fette Falte ins Segel. Permanenter struggle, welcher Trimmnachteil schlimmer ist, als der andere. Trotzdem tapfer weiter marschieren, permanent den groove suchen. Manchmal sogar finden.

Kennst Du das: Du sitzt da auf der Kante und denkst, was steuert sich der Vollpfosten dahinten eigentlich zurecht? Kennt jeder… Der Vollpfosten hinten sitzt da auch und fragt sich; was mache ich eigentlich hier? Wo geht es bitte lang?  Können die Typen da vorne nicht einfach mal Druck in die Kiste bringen? …Wir wollen das nicht vertiefen.

Glücklich kommen wir auf dem letzten Bein doch noch unter Strom und donnern schön am Heck des Zielschiffes vorbei, schießen über die Linie und fragen uns jetzt quälend, welche triple number in der ORC Berechnung eigentlich von der Wettfahrtleitung zugrunde gelegt wird und was dann daraus wohl folgt. Schon wieder quälen? Ne, lieber ab in den Hafen, Kiste anbinden und gucken, ob es vielleicht ein kaltes Getränk gibt. Neben uns wird die Rollgenoa im mittlerweile  hoch gegangenen Wind gefühlt 50 mal hochgezogen, minutenlang im Wind schlagen gelassen und wieder runter gelassen. Was das mit dem Segel macht, interessiert uns weniger. Uns fällt wieder auf, das ja inzwischen deutlich mehr Wind ist und wir überlegen,  was das konkret mit dem speed aller Boote hinter uns macht. Gruselig… Wir mussten uns da so durch die Förde gammeln – und die jetzt? Bloß nicht weiterdenken.

OK: Also den Fokus auf den geselligen Teil und mal den Ehrgeiz an den Nagel hängen. Der Club zelebriert das Ansegeln. Die Boote, die morgens nicht auf der Bahn waren, gehen jetzt kurz aus dem Hafen. Wahrscheinlich um zu sehen, ob die Rollanlage richtig dreht und ob Muddi noch Lust auf Schieflage hat.

Für die leicht verschwitzten Regatta-Segler gibt es Kartoffelsalat und Würstchen, daneben Hopfenkaltschale mit und ohne Fahrtüchtigkeitsbegrenzer. Alles schön unter Frühlingssonne am Strand von L.A. Der Bauch wieder voll, entspannte Gespräche und nette, offene und ausgeglichene Menschen. Warum rennen auf einigen anderen Events eigentlich so viele Wichtigtuer herum?

Ach ja, die Ergebnisse: Heute mal kein Durchmarsch für unsere Langkieler-Profis. Außer bei den No.Spi-Playern. Da gibt es eine echte Überraschung: Nordisches Folkeboot Surprise ganz vorne. So richtig ganz und gar vorne aber auch ein alter Bekannter – und ein kleines, altes Boot: Die Albin Express „Lynx“ aus Sonderborg. Peter und Thomas sind 2 Ausnahmesegler. Thomas übernimmt das Gewicht von 2 Crewmitgliedern. Trotzdem segelten die beiden zu zweit unterbesetzt. Macht nix. In der Berechnung rutschten sie wieder ganz nach vorne.

Wer sich also immer mit dem Argument rausredet, das eigene Boot sei zu klein oder alt: Gibt´s nicht! 

Die kleineren Gruppen werden alle von kleinen, alten Booten gewonnen: Klasse 2 mit der X-79 Schexbier von Nicolas Barth, Klasse 3 von eben dieser Express „Lynx“ die auch die Gesamtwertung gewinnt. Nur Klasse 1 wird von einer Archambault A35 gewonnen; Sportwart des YCLL und Segelmacher Stefan Voss ist sich mal wieder zu sehr seinem Anspruch für gute Werbung bewusst. Er wird 2. über alles.  Und 3. über alles die alte und etwas un- oder umgetrimmte X-332 „Sophus“.

Was für ein geiler Tag auf dem Wasser! Wer dieses entspannte, dennoch anspruchsvolle und ebenso gesellige Event nicht mitgenommen hat: I feel sorry for you!

Ergebnisse

ORC 1

OM, Archambault A 35, Stefan Voss

SOPHUS, X-332 mod., Jochen-P. Kunze

AMAXESHA, X-99, Anton Mikoleit

ORC 2

SCHEXBIER, X-79, Nicolas Barth

SCANDALE, Skankap 99, Carsten Reckweg

THIASSI, Impala 33, Achim Schultze

ORC 3

LYNX, Express, Peter Moisen

EXPLODE4US, Express, Rainer Koch

FRAU ANTJE, Crest 910, Holger Jacobs

ORC 4

SURPRISE, Nord. Folkeboot, Mark Luther

One Comment on “Kleine Boote – ganz groß

  1. Lebendiger Bericht- super! Und stellt euch vor am Ende hätten wir beinahe noch unser Jahrhundertbauwerk einweihen können😉

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